Warum Goethes Faust verstand, was die Neurowissenschaft heute bestätigt

Stell dir vor: Du hast Monate, vielleicht Jahre damit verbracht, dich durch Bücher, Artikel und Videos über Trauma, Nervensystem und psychische Gesundheit zu kämpfen. Du verstehst die Theorie. Du kennst die Begriffe. Polyvagal-was? Check. Fawn-Response? Klar. Aber irgendwie fühlst du dich trotzdem noch allein. Isoliert. Als würdest du in einem Raum voller Wissen sitzen – aber ohne wirkliche Verbindung. Genau das erlebte auch eine der bekanntesten Figuren der deutschen Literatur: Faust.

DIE SZENE: VOM STUDIERSTÜBCHEN INS LEBEN

In Goethes „Faust I“ gibt es eine Szene, die viele von uns kennen – auch wenn wir das Drama vielleicht nie ganz zu Ende gelesen haben. Faust, der gelehrte Doktor, verbrachte sein ganzes Leben in seiner dunklen Studierstube. Umgeben von Büchern. Voll mit Wissen. Und trotzdem verzweifelt, leer und am Rande des Suizids. Dann, am Ostersonntag, geht er raus. Unter Menschen. Einfache Bürger beim Spaziergang. Sie grüßen ihn herzlich, respektvoll. Und in diesem Moment – diesem einfachen Moment der Verbindung – sagt Faust:

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“

Was er meint: Endlich raus aus der Isolation. Weg von der reinen Theorie. Hin zum Leben. Zu Menschen. Zu Verbindung. Endlich einfach Mensch sein dürfen – ohne Rolle, ohne Maske, ohne die Last des „Wissenden“. Goethe schrieb diese Szene 1808. Über 200 Jahre später bestätigt die moderne Neurowissenschaft, was Faust intuitiv erfasste: Wir sind biologisch darauf ausgelegt, in Verbindung zu sein. Nicht isoliert.

DIE POLYVAGAL-THEORIE: UNSER SOZIALES NERVENSYSTEM

Stephen Porges, der Begründer der Polyvagal-Theorie, beschreibt drei Zustände unseres autonomen Nervensystems:

  1. Sozialer Zustand (ventral-vagal) – Wir fühlen uns sicher, können uns verbinden
  2. Kampf-oder-Flucht (sympathisch) – Wir sind in Alarmbereitschaft
  3. Erstarrung/Shutdown (dorsal-vagal) – Wir ziehen uns zurück, dissoziieren

Hier ist das Entscheidende: Porges zeigt, dass unser sozialesEngagementSystem – unsere Fähigkeit, uns mit anderen zu verbinden – unser primäres System zur Regulation ist. Bevor wir in Kampf, Flucht oder Erstarrung gehen, suchen wir instinktiv nach Verbindung. Faust in seiner Studierstube? Im Shutdown. Dorsal-vagal. Abgeschnitten von seinem sozialen Nervensystem. Faust unter den Menschen? Zurück im sozialen Zustand. Ventral-vagal. „Hier darf ich sein.“

„Genesung geschieht in Beziehung“ (Bessel van der Kolk)

Bessel van der Kolk, einer der führenden Trauma-Forscher weltweit, schreibt in seinem Werk „Verkörperter Schrecken“: Trauma passiert in Isolation – und Genesung passiert in Verbindung. Er betont, dass unser Nervensystem nicht isoliert regulieren kann. Wir brauchen Co-Regulation. Das heißt: Die Anwesenheit eines anderen regulierten Nervensystems hilft unserem eigenen Nervensystem, sich zu beruhigen. Denk an ein weinendes Baby, das sich erst beruhigt, wenn es auf den Arm genommen wird. Oder an dich selbst, wenn du nach einem harten Tag mit jemandem sprichst, der wirklich zuhört – und plötzlich fühlt sich alles etwas leichter an. Das ist Co-Regulation. Das ist unser soziales Nervensystem in Aktion.

Pete Walker, Therapeut und Autor von „Komplexe PTBS: Von der Überlebenstechnik zur Selbstentfaltung“, beschreibt die besondere Kraft von Peer-Support und die verschiedenen Ebenen der Unterstützung bei der Verarbeitung belastender Erfahrungen: Psychoedukation – Verstehen, was mit uns passiert ist. Die kognitiven Zusammenhänge begreifen. (Das ist der Faust in der Studierstube.) Therapie – Professionelle Unterstützung, ein sicherer Raum zum Verarbeiten. Selbsthilfegruppen und Peer-Support – Und hier wird es interessant. Walker betont, dass der Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben, eine eigene heilsame Qualität hat. Warum? Weil dort etwas passiert, das in der Therapie oder im Buch nicht in der gleichen Form stattfinden kann: Du triffst Menschen, die wirklich verstehen. Nicht theoretisch, sondern aus eigener Erfahrung. Die Erkenntnis „Ich bin nicht allein. Anderen geht es ähnlich. Ich bin nicht kaputt“ kann tiefgreifend sein. Sie durchbricht die Isolation – das Kernelement von Trauma.

„HIER DARF ICH SEIN“ – DIE KRAFT DER NICHT-PATHOLOGISIERUNG

Jetzt kommt der zweite Teil von Fausts Ausruf: „Hier darf ich sein.“ Nicht: „Hier muss ich mich verstellen.“ Nicht: „Hier muss ich funktionieren.“ Nicht: „Hier muss ich etwas beweisen.“ Sondern: Hier. Darf. Ich. Sein. Mit all den Reaktionen, Triggern, schwierigen Momenten – ohne sofort pathologisiert zu werden. Moderne Trauma-Forschung zeigt: Viele unserer Reaktionen sind keine Störungen. Sie sind nachvollziehbare Antworten unseres Nervensystems auf das, was wir erlebt haben. Du bist nicht kaputt. Du bist ein Mensch. Und manchmal braucht es Räume – wie Fausts Osterspaziergang – in denen wir das spüren können. Wo wir nicht „der Patient“ sind, nicht „die Traumatisierte“, nicht „der mit der Angststörung“. Sondern einfach: Mensch unter Menschen.

VON WISSEN ZU VERÄNDERUNG: WARUM BEIDES WICHTIG IST

Hier schließt sich der Kreis. Auf kognitiver Ebene beginnt der Weg oft mit Psychoedukation. Verstehen. Einordnen können. Dafür gibt es Bücher, Videos, Podcasts – wie unseren YouTube-Kanal. Das ist wichtig. Das ist der erste Schritt. Das ist Faust in der Studierstube, der sich Wissen aneignet. Aber Wissen allein reicht oft nicht. Faust wusste alles. Und war trotzdem verzweifelt. Erst als er rausging – unter Menschen – konnte er spüren: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“ Echte Veränderung passiert nicht nur im Kopf. Sie passiert im Körper. Im Nervensystem. Und im Kontakt mit anderen.

DIE DREI SÄULEN

Wir bei Psyche erklärt glauben an einen holistischen Ansatz, der verschiedene Ebenen einbezieht:

1. Psychoedukation – Verstehen, was passiert ist und warum du reagierst, wie du reagierst.

2. Professionelle Unterstützung – Therapie, Coaching, medizinische Begleitung – je nachdem, was für dich passt.

3. Verbindung & praktisches Üben – Austausch mit anderen, regelmäßige Praxis von Regulations-Techniken, gemeinsames Wachsen.

Keine dieser Säulen ersetzt die andere. Aber zusammen können sie einen Weg schaffen, der sowohl den Kopf als auch das Nervensystem – und die menschliche Sehnsucht nach Verbindung – berücksichtigt.

VON DER THEORIE ZUR PRAXIS: WAS DAS FÜR DICH BEDEUTET

Vielleicht erkennst du dich in Faust wieder. Du hast schon so viel gelesen. So viele Videos geschaut. Du verstehst die Theorie. Aber irgendwie fehlt noch etwas. Das ist völlig normal. Wissen ist der erste Schritt. Aber Veränderung braucht Wiederholung, Integration und – ja – Verbindung. Deshalb gibt es nicht nur unseren YouTube-Kanal, sondern ganz neu auch unsere SKOOL Community. Ein Raum, in dem du:

  • Nicht nur Theorie konsumierst, sondern praktisch übst (durch verschiedene Module im „Klassenzimmer“)
  • Menschen triffst, die den gleichen Weg gehen – die verstehen, wovon du sprichst
  • In deinem eigenen Tempo wachsen kannst, ohne Druck, ohne „du musst“
  • Einfach Mensch sein darfst – mit all deinen Reaktionen, Fragen und Zweifeln

Es geht nicht darum, dass du „geheilt“ werden musst. Es geht darum, dass du verstehst, regulierst und dich weniger allein fühlst.

WARUM GENAU DIESER SPRUCH?

Ich bin Sina, die Gründerin von Psyche erklärt. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“ hing bei meinen Eltern im Schlafzimmer – ein alter, gerahmter Druck meiner Großeltern mit Fausts Worten. Als Kind habe ich ihn gesehen, wahrgenommen und irgendwie gemocht – ohne ihn wirklich zu hinterfragen oder zu verstehen. Er war einfach da. Heute, nach Jahren der Beschäftigung mit Trauma, Nervensystem und menschlicher Verbindung, verstehe ich erst, was in diesen Worten steckt: die grundlegende menschliche Sehnsucht danach, einfach sein zu dürfen. Ohne Rolle. Ohne Maske. Ohne das Gefühl, falsch zu sein. Deshalb ist er auch der Leitspruch unserer Community geworden. Weil er ausdrückt, worum es bei uns geht: Einen Raum zu schaffen, in dem du einfach Mensch sein darfst – mit all deinen Ecken und Kanten. Wir sind nicht dafür gemacht, ausschließlich allein durchs Leben zu gehen. Weder in unserer Studierstube noch in unserem Kopf.

Wenn du bereit bist, von der Theorie einen Schritt weiterzugehen – nicht weil du „kaputt“ bist, sondern weil du Mensch bist – dann laden wir dich ein:

👉 Schau dir unsere SKOOL Community an – ein Raum zum gemeinsamen Wachsen
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In welcher Form auch immer du uns hier begleitest – schön, dass du da bist. Denke daran:

Hier bist du Mensch. Hier darfst du sein.